Die Erkenntnisse des ersten Living-Lab-Projekts zeigen: Um technische Assistenzsysteme bei älteren Menschen zu Hause zu testen, braucht es eine Vorevaluation in einem «echten» Labor. Die Fachhochschule hat dazu im Startfeld Innovationszentrum in St.Gallen ein «AGE-Lab» eröffnet. Für die Hersteller von AAL-Technologien stellen das AGE-Lab und die Living Labs eine Möglichkeit dar, ihre Lösungen zu prüfen, bevor sie auf den Markt kommen.
In den letzten zwölf Jahren wurde in Europa über eine Milliarde Euro in die Forschung und Entwicklung von Assistenzsystemen zur Unterstützung älterer Menschen im Alltag (AAL Active Assisted Living) investiert. «Trotz hoher Investitionen sind viele dieser Innovationen auf dem Markt bislang wenig erfolgreich», sagt Urs Guggenbühl, der mit Beda Meienberger das Kompetenzzentrum AAL an der OST leitet. Es gebe viele mögliche Gründe, die einer Verbreitung dieser Lösungen im Wege stehen könnten, zum Beispiel eine ungenügende Bedienbarkeit der technischen Lösungen, eine Stigmatisierung durch unpassendes Design oder hohe Anschaffungs- und Betriebskosten.
Das Konzept Living Lab 65+ der OST liefere hier einen entscheidenden Vorteil, sagt Urs Guggenbühl. «Indem wir ältere Menschen in ihrem privathäuslichen Umfeld in die Testung von AAL-Lösungen einbinden, können die Systeme gemäss den echten Bedürfnissen und Wünschen entwickelt und angepasst werden.»
Living-Lab-Methode geprüft
In einem ersten Projekt "AALivingLab@home" wurde ein typisches, auf dem Markt erhältliches AAL-System während 6 Monaten in 20 privaten Wohneinheiten älterer Menschen getestet. Nach einer detaillierten Einführung der Testpersonen in das AAL System wurden diese während der Testphase dreimal mittels Interviews und Fragebogen über die Nutzbarkeit und Akzeptanz zum installierten AAL-Systems befragt. Parallel dazu wurden auch die wichtigsten technischen Ereignisse erfasst und registriert. Da es sich um die erste Umsetzung eines Living Labs ausschliesslich in der häuslichen Umgebung handelte, war ein Ziel des Projektes, die Living Lab-Methode zu hinterfragen und zu verbessern, dies auch im Hinblick auf den nachhaltigen Betrieb unseres Living Labs 65+ in Zukunft.
Es zeigte sich, dass ein technisches Produkt vor der Installation in den Haushalten zunächst einem Pretest unterzogen werden sollte. Erste Funktionstests sollten in einem Labor und allenfalls in 2-3 Haushalten durchgeführt werden. Anschliessend sollten die auf diese Weise gewonnen Erkenntnisse in eine Verbesserungsschlaufe führen (Industriepartner). Nach Anpassungen können Feldtestungen mit einer grösseren Zahl an Haushalten gefahren werden. Dieses stufenweise Vorgehen empfiehlt sich, um die Feldtestungen mit einer grösseren Zahl von Haushalten möglichst effizient durchzuführen, in dem grössere Fehlfunktionen eines Systems bereits vorgängig behoben werden konnten. Die Forschungsfragen bzw. Forschungshypothesen müssen vor Beginn der Feldtestung innerhalb des Projektteams festgelegt werden und die drei Ebenen der Datenerhebung (qualitative, quantitative und maschinelle Datenerhebung) müssen aufeinander abgestimmt sein um optimale Resultate erzielen zu können und ein stimmiges Bild zu erhalten. Aus diesen Erkenntnissen wurde der AALivingLab@home Prozess neu angepasst und ein technisches AGE-Lab zur Vorevaluation und Vorbereitung der Technik für die Feldtests etabliert.
Versuchsraum, Entwicklungsraum, Forschungsraum
Das AGE-Lab ist im Startfeld Innovationszentrum, Lerchenfeldstrasse 3, 9014 St. Gallen angesiedelt. Das Innovationszentrum bietet eine sehr kreative Umgebung zur Inspiration und Entwicklung des AgeLabs, eine Reihe von ICT Startups, dessen Know-how dem AGELab von grossem Nutzen sein kann, Coworking Space, Seminarräume und Küche zur allgemeinen Nutzung, sowie eine schnelle Anbindung ans Internet. Für den Betrieb des Living Lab 65+ dient das AGELab hauptsächlich als Versuchsraum. Zusätzlich dient das AGELab auch als Entwicklungsraum für Neuentwicklungen von AAL-Technologien/Lösungen, als Vorführraum für die Präsentation potentieller Anwendungen und als Forschungsraum für die Erfassung und Analyse von Living Lab Daten. Das Startfeld Innovationszentrum bietet auch eine Plattform für die Ansiedlung innovativer Startups und SMEs im Bereich AAL.
Im Rahmen des nationalen Innovationsnetzwerkes AGE-NT und dem dazugehörigen Active Assisted Living-Cluster sowie dem laufenden Projekt «IBH Living Lab AAL» soll das Living Lab 65+ schweizweit und im Vierländereck rund um den Bodensee (D-A-CH) weiter auf ca. 150 Wohneinheiten von älteren Menschen (gemeint sind sowohl private Haushalte als auch betreute Wohnformen in Institutionen) ausgebaut werden. Neben verschiedener Forschungsprojekte im Bereich technischer Unterstützung älterer Menschen zu Hause und im Alltag soll das Living Lab 65+ auch industriefertige AAL-Produkte und Dienstleistungen in einer realen, alltäglichen Lebensumgebung der älteren Menschen testen.